Folge 11: Die UN-Behindertenrechtskonvention – Teil 2

Shownotes

In dieser Folge sprechen Michael Beyerlein und René Dittmann von der Universität Kassel über das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung nach Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Die Folge ist zugleich ein Rückblick auf die Projekttagung „Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland, Österreich und der Schweiz“. Ausschnitte der Vorträge von Nina Eckstein, Raphael Zahnd und Julia Gasterstädt geben Einblick in die Umsetzung des Rechts von Menschen mit Behinderung auf Bildung in den drei Ländern und was daran noch verbessert werden kann.

Das Projekt ZIP – NaTAR Diese Podcastfolge ist im Projekt „Zugänglichkeit – Inklusion – Partizipation. Nachhaltige Teilhabe an Arbeit durch Recht“ (ZIP – NaTAR) der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation e. V. (DVfR) und ihrer Kooperationspartner entstanden – gefördert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales aus Mitteln des Ausgleichsfonds.

Weitere Informationen über das Projekt ZIP – NaTAR

Weiterführende Infos Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (2023): CRPD/C/DEU/CO/2-3. Abschließende Bemerkungen zum zweiten und dritten periodischen Bericht Deutschlands.

Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (2023): CRPD/C/AUT/CO2-3. Abschließende Bemerkungen zum kombinierten zweiten und dritten periodischen Bericht Österreichs.

Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (2022): CRPD/C/CHE/CO/1. Abschließende Bemerkungen zum Erstbericht der Schweiz.

Banafsche, Minou (2022): Behindertenrechtskonvention. In: Olaf Deinert, Felix Welti, Steffen Luik und Judith Brockmann: Stichwortkommentar Behindertenrecht. 3. Auflage. Baden-Baden, Marburg: Nomos; Lebenshilfe.

Deutsches Institut für Menschenrechte (2024): Artikel 24 UN-BRK (Bildung). Berlin.

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MICHAEL BEYERLEIN. Herzlich willkommen zu Recht auf Teilhabe, dem Podcast zu rechtlichen Themen rund um Inklusion, Rehabilitation und Teilhabe. Mein Name ist Michael Beyerlein und mir gegenüber steht René Dittmann.

RENÉ DITTMANN. Hallo Michael.

MICHAEL BEYERLEIN. Wir forschen an der Uni Kassel zum Rehabilitations- und Teilhaberecht. Dieser Podcast entsteht als gemeinsames Projekt von Deutscher Vereinigung für Rehabilitation, Universität Kassel, der Humboldt-Uni Berlin, der Martin-Luther-Universität Halle und dem Zentrum für Sozialforschung Halle. Wir beschäftigen uns darin mit rechtlichen Fragen, insbesondere rund um die Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderung. In dieser Folge wollen wir uns erneut mit der UN-Behindertenrechtskonvention beschäftigen. Auf einer Tagung, die wir im Rahmen unseres Kooperationsprojekts im Juni 2024 veranstaltet haben, haben wir uns mit der Umsetzung der UN-BRK in Deutschland, Österreich und der Schweiz beschäftigt. Und viele der Vorträge, die bei der Tagung gehalten wurden, haben wir aufgenommen. Ein Schwerpunkt war das Recht auf Bildung und darum soll es heute gehen.

RENÉ DITTMANN. Das Recht auf Bildung ist in Artikel 24 UN-BRK festgeschrieben. Dort heißt es unter anderem „Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung.“ Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten, also auch Deutschland, ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen. Dazu müssen die Vertragsstaaten sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderungen vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden und dass angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen getroffen werden. Um zur Verwirklichung dieses Rechts beizutragen, treffen die Vertragsstaaten unter anderem geeignete Maßnahmen zur Einstellung von Lehrkräften, die in Gebärdensprache oder Brailleschrift ausgebildet sind. In der letzten Folge zur UN-BRK haben wir bereits beschrieben, wie der Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen bei den Vereinten Nationen die Umsetzung der Konvention in den Vertragsstaaten überprüft. Auch an der Umsetzung des Rechts auf Bildung hatte er in den drei Ländern, die wir verglichen haben, also in Deutschland, Österreich und der Schweiz, verschiedene Punkte kritisiert. Er kritisiert am stärksten, dass es an angemessenen Vorkehrungen und Unterstützung für inklusive Bildung mangelt. Konkret bemängelt er die mangelnde Barrierefreiheit und Zugänglichkeit in öffentlichen Schulen, insbesondere in ländlichen Gebieten. Er bemängelt außerdem die unzureichende Schulung und Qualifizierung von Lehrpersonal in Bezug auf das Recht auf inklusive Bildung sowie spezifische Fähigkeiten und Lernmethoden. Zudem wird berichtet, dass Eltern unter Druck gesetzt werden, ihre Kinder mit Behinderungen in Sonderschulen anzumelden. In Österreich fehle es an ausgebildetem Personal für die inklusive Bildung aufgrund von Kürzungen und unzureichender Ausbildung. Es mangele an angemessenen Vorkehrungen und Unterstützungsangeboten, insbesondere für Studierende mit Behinderungen im Sekundär- und Tertiärbereich. Zudem sind Personen mit psycho-sozialen und oder geistigen Behinderungen oft von solchen Angeboten ausgeschlossen. In Österreich werde die Österreichische Gebärdensprache nicht ausreichend in Schulprogrammen eingesetzt. Und in der Schweiz fehlen Ressourcen in Regelschulen zur Unterstützung inklusiver Bildung wie zum Beispiel Gebärdensprachendolmetscher, angemessene Vorkehrungen und qualifizierte Lehrkräfte.

MICHAEL BEYERLEIN. Ein weiterer großer Kritikpunkt des Fachausschusses an allen drei Ländern ist die Segregation von Kindern und Erwachsenen in den Bildungssystemen. In Deutschland bemängelt der Ausschuss die mangelnde vollständige Umsetzung der inklusiven Bildung, die Verbreitung von Sonderschulen und Klassen sowie Hindernisse für Kinder mit Behinderungen beim Zugang zu Regelschulen. Außerdem kritisiert er die teilweise negative Wahrnehmung von inklusiver Bildung in einigen Exekutiv-Organen. Gemeint könnten sein Landesregierungen beispielsweise, aber generell politische Akteure, die das negativ darstellen. Für Österreich stellt der Ausschuss einen Rückschritt im Bereich der inklusiven Bildung fest. Bedingt durch die Beendigung der inklusiven Schulpolitik, die Priorisierung getrennter Schulen, den Mangel an Personal und Finanzierung sowie die fehlende Verlagerung von Ressourcen, von getrennten zu inklusiven Systemen, was zu einer erhöhten Einschulung von Kindern mit Behinderungen in Sonderschulen führt. Auch die Nichtaufnahme von Kindern mit Behinderungen in außerschulische Betreuungsangebote wird kritisiert. Für die Schweiz bemängelt der Ausschuss die hohe Zahl von Kindern in getrennten Bildungseinrichtungen und die Anwendungen der interkantonalen Vereinbarung über Sonderpädagogik, um Kinder mit Behinderungen in die Sonderpädagogik zu integrieren. Ein weiterer Kritikpunkt des Fachausschusses ist die mangelnde Datenerhebung und Transparenz. In Deutschland ging es ihm dabei hauptsächlich um Flüchtlingskinder mit Behinderungen, die Zugang zu Bildung haben und in Regel und Sonderschulen eingeschrieben sind, sowie die Schulabbrecher-Quoten. In Österreich kritisiert der Ausschuss einen Mangel an umfassenden Daten über die Bildung von Kindern mit Behinderungen. Dazu und zur Kritik des Fachausschusses an der Situation in Österreich allgemein hören wir jetzt Nina Eckstein. Sie ist Mitarbeiterin beim unabhängigen Monitoringausschuss zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich.

NINA ECKSTEIN. Ein großes Thema war auch, das haben wir auch in all unseren Berichten nämlich angemerkt und das hat der Unfachausschuss dankenswerterweise dann auch wirklich ernst genommen und aufgegriffen, dass in Österreich auch ein großes Problem darin besteht, dass alleine die Feststellung, ob Kinder sozusagen einen sonderpädagogischen Förderbedarf benötigen oder nicht, komplexe, intransparente, schwierige, uneinheitliche Verwaltungsverfahren sind, die sowohl für die Kinder als auch für die Eltern teilweise völlig unnachvollziehbar sind. Wie kommt es zu welchen Entscheidungen? Das hat auch der UN-Fachausschuss massiv kritisiert und Österreich aufgefordert, schleunigst die Verwaltungsverfahren nicht nur barrierefrei, sondern vor allem auch transparent und einheitlich zu gestalten, damit hier eine gewisse Rechtsklarheit ist: Wann wird denn überhaupt ein bestimmter Förderstatus zuerkannt und wann nicht? Und ein großes Thema in Österreich ist auch, dass Kinder und Jugendliche, die einen sonderpädagogischen Förderbedarf haben konnten, kein Recht haben, das elfte und zwölfte Schuljahr zu absolvieren. Es gibt keinen Rechtsanspruch. Ein ganz großes Thema in Österreich. Sondern, das hängt vom Goodwill der Schulbehörden, sag ich mal, ab, ob sie sozusagen im Ermessen einem Kind die Möglichkeit bieten, noch ein weiteres Schuljahr dranzuhängen. Und das hat hier natürlich der UN-Fachausschuss auch vehement kritisiert und gesagt: Das geht gar nicht. Es steht Artikel 24 natürlich absolut entgegen, dass hier sozusagen auf Goodwill und im Ermessen der Schulbehörden steht, ob Kinder überhaupt weitere Schuljahre absolvieren dürfen oder nicht. Genau. Dann habe ich auch noch aufgegriffen, weil das auch ein ganz großes Thema im österreichischen Bildungssystem ist, die Österreichische Gebärdensprache ist ja in Österreich in Artikel acht der österreichischen Bundesverfassung als eigenständige Sprache anerkannt. Das muss man auch dazu sagen. Allerdings hapert es und mangelt es an der Umsetzung natürlich massiv und daher auch im österreichischen Schul- und Bildungssystem. Und es war ein entscheidender Kritikpunkt, man möge endlich die Österreichische Gebärdensprache als Unterrichtsfach und vor allem auch als Unterrichtssprache etablieren. Es gibt es eigentlich so gut wie überhaupt nicht. Das heißt, gehörlose Schüler und Schülerinnen sind eine der diskriminiertesten, ausgrenzungsgefährdeten Gruppen auch im Bildungssystem. Und das Problem hat der Fachausschuss eben auch aufgegriffen und hat gesagt: Die Österreichische Gebärdensprache muss im österreichischen Bildungssystem umfassend anerkannt werden, auch den verfassungsrechtlichen Auftrag, den sich Österreich selbst gegeben hat. Und entscheidend ist nicht nur als Fach, das können wir dann noch diskutieren, weil das beginnt sich jetzt umzusetzen, dass österreichische Gebärdensprache ein Unterrichtsfach werden soll, sondern tatsächlich im Sinne eines bilingualen Unterrichts als Unterrichtssprache. Durchgängige Gewährleistung einer Bildungskarriere für gehörlose Kinder und Jugendliche mit österreichischer Gebärdensprache. Und ein Thema, das zieht sich durch alle Themen durch, und du hast das gestern auch noch mal hervorgehoben, oftmals sind uns in Österreich die Hände gebunden, weil wir einfach keine validen Daten haben, sehr aufgesplitterte Daten haben. Wir wissen eigentlich gar nicht wie viele Kinder und Jugendliche gibt es denn mit Behinderungen? Wie viele Bedarfe gibt es? Wie gibt es länderspezifische Unterschiede? Wenn ja, wie sehen die aus? Das ist ganz schwierig zu erheben. Und hier hat der Fachausschuss auch betont, dass es notwendig ist, endlich wirklich valide Daten und Statistiken anzulegen, die eine Basis dafür bilden, Maßnahmen zu setzen und andere Umsetzungswege zu gehen.

MICHAEL BEYERLEIN. Es zeigt sich also, dass Verwaltungsverfahren eine Barriere darstellen können und dass Inklusion im Sinne der UN-BRK keine Ermessensleistung sein darf. Auch die Lehrerbildung ist wichtig, wie wir gehört haben. Dazu hören wir gleich auch noch mehr.

RENÉ DITTMANN. Vor dem Hintergrund dieser Kritik empfiehlt der Fachausschuss, dass Deutschland und Österreich eine Datengrundlage über inklusive Beschulung von Kindern mit Behinderung schaffen. Österreich wird zudem aufgefordert, die fortschreitende Segregation im Schulsystem zu beenden und stattdessen Ressourcen für ein inklusives Schulsystem bereitzustellen. Auch die Schweiz wird ermahnt, sicherzustellen, dass Kinder mit Behinderungen nicht in die Sonderpädagogik gedrängt werden und dass ihr Recht auf inklusive Bildung gewahrt bleibt. Wo und wie das mit einer inklusiven Beschulung in der Schweiz schon klappt, hören wir jetzt von Raphael Zahndt von der Fachhochschule Nordwestschweiz. Er lehrt und forscht dort zu inklusiver Didaktik und Heterogenität.

RAPHAEL ZAHNDT. Ich glaube, was noch wichtig ist, ist jetzt beispielsweise in der Schweiz. Wir haben ja auch in der Schweiz eine sehr diverse Bildungslandschaft, und es finden sich eigentlich ganz viele Beispiele, die aufzeigen, in welche Richtung das gehen könnte, müsste. Mit diesen unterschiedlichen Separationsquoten können wir ganz klar zeigen: Ja, da gibt es Kantone, die sind anders unterwegs und da sind dann oft eben Kantone, die gar nicht so stark in die Separation gehen können, weil es geografisch schwierig ist, beispielsweise die Bergkantone. Und das sind dann strukturelle Bedingungen, die dazu führen, dass es eben nicht geht. Und dann geht eben so dieser inklusive Weg auf einmal auch und das finde ich zunächst mal eine spannende Beobachtung. Und wenn man die Schulen dann anschaut, die eben progressiver unterwegs sind, dann fällt auf, dass sie immer strukturelle Veränderungen hinter sich haben. Also wir haben hier in der Region beispielsweise eine Schule, die hat damit begonnen, sämtliche Schulzimmer umzukrempeln, quasi für den ganzen fachlichen Bereich, von der ersten bis zur sechsten Stufe quasi ein digitalisiertes Lehrmittel zu schaffen, dass dann eben einen Unterricht ermöglicht, der sehr viel vielseitiger ist. Und die sind jetzt auch noch nicht komplett inklusiv, aber die sind auf einem ganz anderen Weg als andere Schulhäuser. Auf der Sekundarstufe haben wir ähnliche Beobachtungen oder dort ist in der Schweiz auch noch dieses Thema der Leistungszüge. Dass gewisse Kantone oder auch gewisse Regionen, es ist nicht per se an den Kanton gebunden, Oberstufensysteme haben, die quasi drei Leistungszüge haben, die separiert sind. Das ist auch wieder höchst problematisch, weil die Zuteilung überhaupt nicht zuverlässig funktioniert. Und auch aus der Perspektive einer inklusiven Bildung und der Perspektive der Chancengleichheit ist es wirklich höchst problematisch. Und dort sehen wir, dass diejenigen Schulen, die eben anders unterwegs sind, sagen „Wir entscheiden uns für ein integriertes Oberstufensystem. Wir ziehen alle Kinder gemeinsam in einem Schulhaus in eine Klasse.“ Die sind einfach dann auch besser unterwegs. Sie haben weniger Probleme auf der Ebene der Bildungsungerechtigkeit. Und ich glaube, es gibt auch in den deutschsprachigen Ländern ganz viele Einzelbeispiele, die aufzeigen, welche Stoßrichtung wir aufgreifen können, um weiterzukommen. Und das ist aber immer verbunden auch mit struktureller Transformation.

RENÉ DITTMANN. Es zeigt sich also, dass inklusive Bildung teilweise auch von der Topografie abhängen kann. Da, wo Segregation zu aufwändig wäre, findet man im Regelsystem schnell Wege, wie inklusiver Unterricht gelingen kann. Aber auch mit intrinsischer Motivation können inklusive Strukturen geschaffen werden. In seinen Empfehlungen schlägt der UN-Fachausschuss der Schweiz außerdem vor, ein Recht auf inklusive Bildung in die Verfassung aufzunehmen. Und auch Österreich wird empfohlen, Gesetze zu erlassen, die allen Kindern mit Behinderungen einen einklagbaren Rechtsanspruch auf inklusive Bildung verschaffen. Was der Ausschuss sowohl Deutschland, Österreich als auch der Schweiz ins Hausaufgabenheft schreibt, ist eine umfassende Strategie für die Umsetzung inklusiver Bildung zu formulieren. Gemeint sind Aktionspläne mit spezifischen Zeitrahmen, personeller, technischer und finanzieller Ressourcenzuweisung sowie klaren Verantwortlichkeiten mit dem Ziel, inklusive Bildung zu ermöglichen und Segregation abzubauen.

MICHAEL BEYERLEIN. Ein weiteres wichtiges Thema in den Empfehlungen des Fachausschusses ist Barrierefreiheit. Das umfasst die Bereitstellung angemessener Vorkehrungen, wie zum Beispiel Schulassistenz, aber auch den Transport von Kindern mit Behinderungen in ländlichen Gebieten. Die Zugänglichkeit von allgemeinen Schulen soll aber auch durch eine kontinuierliche Fortbildung von Schulpersonal im Bereich der inklusiven Bildung erreicht werden, was auch verschiedene Kommunikationsformate wie beispielsweise Gebärdensprache umfasst. Dazu hören wir jetzt die Bildungsforscherin Julia Gasterstädt von der Uni Kassel. Sie spricht darüber, wie eine inklusive Ausbildung von Lehrkräften aussehen könnte.

JULIA GASTERSTÄDT. Also, ich glaube, da gibt es, würde ich jetzt formulieren, mehrere Aspekte und über die kann man sich alle trefflich streiten. Wenn jetzt andere das vielleicht anders sehen und auch nochmal sagen, dass aber ähm, also ich glaube, es braucht eine grundständige gemeinsame Ausbildung für alle Lehrkräfte und es braucht dann daran anschließend durchaus auch die Vermittlung von bestimmten Expertisen. Also es ist ja völlig utopisch zu fordern, dass alle Lehrkräfte sich mit allen möglichen Formen der Reflexion von Barrieren in Hinblick auf bestimmte körperliche, motorische, kognitive Fähigkeiten oder Beeinträchtigungen auskennen können. Das macht ja keinen Sinn. Also wie soll das denn gehen? Das ist klar. Also es braucht Expertise und die muss auch vermittelt werden. Aber es braucht vor allem eine gemeinsame Ausbildung. Erstmal aufgrund der Lage der Expertise, zum Beispiel für den Bereich von Grundschule, für den Bereich von Sekundarstufe zwei oder eben auch für die Unterstützung von Schülerinnen mit bestimmten Behinderungen oder Beeinträchtigungen. So, das würde ich jetzt erstmal vielleicht so formulieren und das sehen wir in Deutschland gibt es das an ein, zwei Standorten. Also, Bielefeld ist so das typische Beispiel, die so ein integriertes Lehramt zum Beispiel haben. Vielleicht mal kurz kommentiert für Hessen. Hessen hat immer noch als eines der wenigen Bundesländer das Staatsexamen. Und das steht solchen Formaten natürlich extrem im Wege. Weil also das schlicht nicht zu denken ist in anderen Bundesländern, die eine Bachelorausbildung haben. Da gibt es dann quasi das grundständige Bachelor-Lehramt und danach eine Spezialisierung im Master. Also, das sind alles so strukturelle Faktoren, die in den Bundesländern noch mal eine ganz spezifische Perspektive haben.

RENÉ DITTMANN: Zusammenfassend können wir also festhalten, dass das Recht auf Bildung in Artikel 24 UN-BRK die Vertragsstaaten dazu verpflichtet, ein inklusives Bildungssystem zu ermöglichen. Insbesondere von Julia Gasterstädt und Raphael Zahndt haben wir gehört, dass dies gelingen kann und bereits positive Beispiele vorhanden sind. Dennoch scheint es nach wie vor so zu sein, dass die Umsetzung des Rechts auf Bildung aus der UN-BRK eine große Aufgabe für die nationalen Bildungssysteme bleibt. Dabei hat unsere Tagung gezeigt, dass der UN-Fachausschuss in Deutschland, Österreich und der Schweiz ähnliche Probleme sieht. Es geht um weiterhin zu beobachtende und teilweise sogar zunehmende Segregation im Bildungsbereich, um fehlende angemessene Vorkehrungen und Unterstützung, um mangelnde Datenerhebung und Transparenz sowie komplexe administrative Verfahren und fehlende Rechtsansprüche.

MICHAEL BEYERLEIN. Deshalb wird in den drei Ländern empfohlen, die Segregation von Menschen mit Behinderungen im Bildungsbereich zu beenden, und zwar durch die Schaffung von Barrierefreiheit, durch die Erstellung von konkreten Aktionsplänen, durch die Durchführung von Kampagnen, und durch die Schaffung von Rechtsansprüchen auf inklusive Bildung. Zusätzlich muss die Datengrundlage über das Ob und Wie von inklusiver Bildung ausgebaut werden. Damit sind wir am Ende dieser Podcastfolge und sagen Tschüss, bis zum nächsten Mal bei Recht auf Teilhabe.

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