Folge 2: Der Assistenzhund

Shownotes

In der zweiten Folge des Podcasts sprechen Thomas Ketzmerick und Dr. Cathleen Rabe-Rosendahl vom Zentrum für Sozialforschung Halle mit dem Juristen Alexander Tietz über den Assistenzhund als Hilfsmittel zur Teilhabesicherung von Menschen mit Behinderungen. Dabei stellen sie gesetzliche Regelungen zum Assistenzhund und dem Zugang zu öffentlichen und privaten Gebäuden oder zum Arbeitsplatz vor. Auch Fragen der Zumutbarkeit und des Rechtsschutzes kommen zur Sprache.

Das Projekt ZIP – NaTAR
Diese Podcastfolge ist im Projekt „Zugänglichkeit – Inklusion – Partizipation. Nachhaltige Teilhabe an Arbeit durch Recht“ (ZIP – NaTAR) der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation e. V. (DVfR) und ihrer Kooperationspartner entstanden – gefördert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales aus Mitteln des Ausgleichsfonds.

Weitere Informationen über das Projekt ZIP – NaTAR

Informationen zum Assistenzhund
Fragen und Antworten zur Assistenzhundeverordnung (AHundV) auf der Website des BMAS: Assistenzhunde 

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2020
- 2 BvR 1005/18, abrufbar auf der Website des Bundesverfassungsgerichts

Entscheidung der Instanzen

  • Beschluss des Kammergerichts vom 16. April 2018 – 20 U 160/16
  • Urteil des Landgerichts Berlin vom 07. November 2016 – 6 O 66/16

Gesetzesbegründung zur Einführung der Regelungen in §§ 12e ff. BGG, siehe Bundestags-Drucksache 19/27400, S. 67 ff. 

Podcast zum Bürohund (Bund Verlag GmbH, Frankfurt am Main)

Mitnahme eines „Assistenzhundes“ an den Arbeitsplatz: LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 08.09.2022, 2 Sa 490/21 -. Zur Besprechung der Entscheidung als Fachbeitrag B4-2023 auf Reha-Recht.de.

Zutritt des Assistenzhunds zu privaten Einrichtungen: LG München I, Urteil v. 13.03.2019, 14 S 1245/18 - Besprechung der Entscheidung, RP-Reha 4/2019, S. 13 ff.

Transkript anzeigen

Cathleen Rabe-Rosendahl: Hallo und herzlich willkommen zur zweiten Folge des Podcasts „Recht auf Teilhabe“, der Podcast rund um Inklusion, Rehabilitation und Teilhabe. Mein Name ist Cathleen Rabe-Rosendahl und neben mir sitzt wieder...

Thomas Ketzmerick: …Thomas Ketzmerick. Wir sind Wissenschaftlerin und Wissenschaftler am Zentrum für Sozialforschung Halle. Unser Thema heute ist der Assistenzhund und die gesetzlichen Regelungen, die es dazu gibt. Hallo Alex.

Alexander Tietz: Hallo, danke für die Einladung.

Thomas: Alexander ist Jurist und beschäftigt sich seit einigen Jahren wissenschaftlich mit den gesetzlichen Regelungen zum Assistenzhund.

Cathleen: Wir alle haben ja schon einmal einen Führhund bei blinden oder sehbeeinträchtigen Menschen gesehen. Vielleicht ist einigen ja sogar die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Januar 2020 bekannt. Die wurde ja vielfach auch in den Medien aufgegriffen. In dem Fall war einer blinden Frau der Zutritt zu einer Arztpraxis verwehrt worden. Aber ich denke, Alex, vielleicht kannst du dazu ein bisschen mehr erzählen.

Alexander: Ja, gerne. Du hast ja schon ganz richtig gesagt, es geht um eine Frau, die mit ihrem Blindenführhund eine Arztpraxis durchqueren wollte, um zu einer Physiotherapie-Praxis zu kommen, und das hat auch eine Zeit lang gut funktioniert. Aber es gab dann einen Zeitpunkt, ab dem ihr die Arztpraxis den Zutritt verwehrt hat, weil der Hund wohl unhygienisch gewesen ist und es auf die Patienten der Arztpraxis einen schlechten Eindruck machen würde, wenn sie in Begleitung ihres Hundes die Arztpraxis da tagtäglich durchqueren würde. Als Alternative hat man ihr dann eröffnet, dass sie auch eine Wendeltreppe nutzen könnte, die außen am Gebäude angebracht gewesen ist. Das Problem an dieser Alternative war, dass der Hund diese Treppe nicht gehen konnte, weil er sich dort schon mal verletzt hatte. Es war eine Treppe, das muss man sich vorstellen, so eine Gittertreppe, wo der Hund mit den Krallen mal hängen geblieben ist und deswegen diese Treppe nicht gehen konnte bzw. wollte. Daraufhin wurde ihr gesagt, dann könnte sie ja den Hund unten abstellen und sich helfen lassen von einer fremden Person. Das wollte die Frau natürlich nicht auf sich sitzen lassen und hat dann Klage vor dem Landgericht Berlin eingereicht. Die haben geurteilt, dass die Entscheidung der Arztpraxis an sich rechtmäßig war. Daraufhin hat sie dann weiter vor dem Kammergericht in Berlin geklagt, also eine Instanz höher. Aber auch dort wurde der Frau nicht Recht gegeben, was dann schlussendlich dazu geführt hat, dass sich das Bundesverfassungsgericht mit der Sache beschäftigen musste, weil die Frau Verfassungsbeschwerde erhoben hat. Die Beschwerde der Frau war offensichtlich begründet und es wurde gesagt, dass das Kammergericht in seinem Urteil die Grundrechte der Frau nicht ausreichend berücksichtigt hat, und das ganz klar dadurch, dass der Durchgang verwehrt wurde, zumindest eine mittelbare Diskriminierung der Frau stattfand, und die war auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass man auf bestimmte Hygienevorschriften hingewiesen hat oder dass es ein Makel gebe, wenn der Hund sich in dieser Arztpraxis aufhalten würde, auch nur für eine kurze Zeit. Also, letztendlich hat das Bundesverfassungsgericht der Frau Recht gegeben und gesagt, die Arztpraxis darf der Frau den Zutritt nicht verwehren, wenn sie mit ihrem Hund kurzzeitig dort durchgehen möchte. In der Folge ist auch der Gesetzgeber tätig geworden und hat verschiedene neue Regelungen erlassen, die sich mit diesem Fall, vor allem mit dem Zugang und Zutritt zu bestimmten Einrichtungen mit Hund oder mit Assistenzhund, beschäftigen.

Cathleen: Ich finde den Aspekt ganz gut, den du gerade gesagt hast, und zwar, dass das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, hier liegt eine mittelbare Diskriminierung vor. Eigentlich ist es ja eine Gleichbehandlung. Also wenn ich jetzt mit einem Hund in die Arztpraxis gehen möchte und die Arztpraxis verwehrt mir das und sagt: Ich verwehre das allen. Ich verwehre das auch den ganz normalen Hunden, die keine Assistenzhunde oder Blindenführhunde sind und mache keine Unterscheidung. Aber das, was das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, was hier ja gerade spannend ist, dass hier eine Gleichbehandlung nicht weiterbringt, weil die Assistenz- und Blindenführhunde sind ja Hunde, die einen bestimmten Zweck dienen und hier eine Behinderung bzw. die Teilhabe von behinderten Menschen erleichtern oder ermöglichen sollen. Deswegen können diese Hunde auch nicht gleichbehandelt werden.

Alexander: Exakt, genau. Also, das ist ja auch etwas, worauf sich die Leute dann immer zurückziehen, dass man sagt, es gilt ja für alle. Aber dann muss man natürlich trotzdem ein bisschen weiter blicken, ein bisschen über den Tellerrand hinaus, weil, na klar, das ist erst mal eine Regelung, die nicht darauf abzielt, Menschen mit Behinderung zu benachteiligen, aber die Wirkung, die dieser Ausschluss entfaltet, die benachteiligt dann doch. Deswegen spricht man in dem Zusammenhang von der mittelbaren Benachteiligung und die lag hier auf jeden Fall vor. Ob es in dem speziellen Fall sogar eine unmittelbare Benachteiligung gewesen ist, das wurde offengelassen, weil das Bundesverfassungsgericht gesagt hat: Diese Zutrittsregelung ist eine Benachteiligung, die mittelbar erfolgt und für die Rechtsfolge ist es auch egal, ob es eine unmittelbare oder eine mittelbare Benachteiligung ist, es läuft auf das Gleiche hinaus, wenn keine sachlichen Gründe vorliegen, und so war es hier ja auch, dass es rechtswidrig ist.

Cathleen: Die Frage, die sich mir gerade stellt, du hast ja einmal vom Blindenführhund gesprochen und einmal vom Assistenzhund. Es scheint ja eine Vielzahl von Arten von Assistenzhunden zu geben, deshalb ist es vielleicht für uns und unsere Zuhörer*innen erstmal ganz interessant, was ist eigentlich ein Assistenzhund und kann jeder Hund ein Assistenzhund sein?

Alexander: Ja, das ist eine wichtige Frage. Also Blindenführhunde sind ja, weil sie auch im Alltag öfters vorkommen, dem Laien, sag ich jetzt mal, geläufiger. Man sieht öfters mal Blindenführhunde und das wird immer gleichgesetzt. Aber es ist jetzt eine Entwicklung zu sehen, schon seit Jahren, seitdem die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft trat, das ist schon 2009 gewesen. So langsam kommt das hier auch an, dass Hunde auch bei anderen Krankheiten oder Behinderungen genutzt werden können, um deren Folgen zu lindern. Es gibt den Blindenführhund als prominentes Beispiel. Es gibt aber auch andere Hunde. Der Gesetzgeber hat das jetzt in der Assistenzhund-Verordnung minutiös aufgelistet, da kommen wir später noch mal dazu. Wenn man es grob einteilt, gibt es auch Hunde, die psychische Beeinträchtigungen lindern sollen, beispielsweise eine posttraumatische Belastungsstörung. Also Hunde, die dann auf die Besitzerin oder den Besitzer beruhigend einwirken. Dann gibt es Diabetiker- und Warnhunde, also Hunde, die durch die Nase erriechen können, wann beispielsweise der Blutzuckerspiegel zu hoch ist und wann ein Anfall bevorsteht und können dann halt warnen, so dass es dann nicht zu einem Zusammenbruch kommt, der durch den Sturz vielleicht andere schwerwiegende Folgen nach sich zieht.

Thomas: Ich glaube, auch für Epilepsie und Asthma gibt es Hunde.

Alexander: Genau, für Epilepsie gibt es auch Warnhunde. Die würde ich jetzt unter die Diabetiker-Warnhunde mit zählen, aber es gibt Hunde, die auch vor Anfällen, die kurz bevorstehen, dann auch warnen. Also, sie können das riechen, weil sich da was verändert und dann gibt es diese Hunde, die davor warnen und sagen "Oh, Moment mal, hier läuft was falsch".

Thomas: Posttraumatische Belastungsstörung habe ich auch schon gelesen.

Alexander: Genau, ja, das ist auch so ein prominentes Beispiel, was es auch öfters gibt, was neben den Blindenführhunden eine der häufigsten Behinderungen ist, bei denen dann solche Hunde auch beansprucht werden.

Cathleen: Du hattest ja davon gesprochen, dass der Gesetzgeber sich nach der Bundesverfassungsgerichts-Entscheidung hingesetzt hat und tatsächlich Regelungen erlassen hat. Was sind denn die wichtigsten Regelungen, die Menschen das Leben mit einem Assistenzhund erleichtern oder erleichtern können?

Alexander: Also, der Gesetzgeber hat das zum Anlass genommen und hat verschiedene Regelungen in das Behinderten-Gleichstellungsgesetz aufgenommen. Grob gesagt geht es da erstmal um die Abgrenzung, was im rechtlichen Sinne ein Assistenzhund ist. Was auch im Gesetzgebungsverfahren große Wellen geschlagen hat, ist die Ausbildung, Zertifizierung und die Prüfung eines Assistenzhundes. Das wurde in den §§ 12e fortfolgende des Behinderten-Gleichstellungsgesetzes geregelt. Dann hat er noch eine Verordnung nachgeschoben, die minutiöser regelt, welcher Assistenzhund, welche Assistenzhund-Art wie ausgebildet, geprüft und zertifiziert wird. Das ist nämlich ganz wichtig, weil viele Verbände auch im Rahmen der Anhörung darauf hingewiesen haben, dass gerade im Rahmen der Ausbildung keine Regelungen existieren, die bundesweit einheitlich sind. Das beinhaltet natürlich auch die Gefahr, dass bei unzureichender Ausbildung der Hund unzureichend arbeitet und dass er sich nicht so verhält, wie sich ein Assistenzhund in der Öffentlichkeit verhalten sollte.

Thomas: Es gibt ja verschiedene Orte, wo es Probleme geben kann. Das ist der Schwerpunkt, wenn ich das richtig verstehe, der Zugang zu einzelnen Orten. Ich habe jetzt gelesen, dass es um, ich zitiere mal, um den „Zugang zu für den allgemeinen Publikums- und Benutzungsverkehr zugängliche Anlagen und Einrichtungen“ geht. Was fällt da alles darunter oder was nicht? Kann man das mit Beispielen illustrieren?

Alexander: Also, das ist so ein bisschen ungelenk formuliert, das gebe ich auf jeden Fall zu. Es sind einfach öffentliche Anlagen, zum Beispiel öffentliche Verwaltung. Also, wo quasi jeder und jede Zutritt hat, wo man so sich drin bewegen kann, und das ist auch zum Beispiel der grundsätzliche Anwendungsbereich von dem Behindertengleichstellungsgesetz. Dort hat der Gesetzgeber jetzt geregelt, dort schauen wir, dass wir die Zugangsproblematik, also dass die Menschen mit Behinderung, mit Assistenzhund nicht reinkommen und ihnen der Zugang verwehrt wird, dass wir das dort beheben. Und das ist ein großer Teil, aber es ist natürlich nicht der komplette. Es ist jetzt nicht so, dass die Zugangsproblematik dadurch jetzt komplett verschwunden wäre aus dem Alltag der Menschen, weil es neben diesen öffentlichen Anlagen ja auch noch viele andere Akteure gibt, zum Beispiel Einrichtungen, die privat betrieben sind. Das hatten wir auch vor ein paar Jahren gesehen, beispielsweise an einem Theater, da gab es Entscheidungen vom Landgericht in München, wo eben auch diese Problematik auftritt, dass Menschen mit ihrem Hund den Zutritt nicht gewährt wird.

Cathleen: Und hat sich daran jetzt etwas geändert, weil ich glaube, die Münchner Entscheidung war ja noch vor der jetzigen.

Alexander: Die war davor, wenn ich mich richtig erinnere, war es 2016, dass das LG München die Entscheidung gefällt hat. Also damals war es ja auch so, dass eben, wenn man unterscheidet zwischen Privatwirtschaft und dem öffentlichen Raum, wie wir es jetzt mal betiteln, also diese öffentlichen Anlagen, dann sind ja verschiedene Normen, verschiedene Rechtsgrundlagen einschlägig. Und das, was damals am LG München entschieden wurde und welche Rechtsgrundlagen dort entscheidend waren, die gelten natürlich auch immer noch fort. Der Gesetzgeber hat eben, und das ist auch ein großer Kritikpunkt, nur in einigen Bereichen etwas verbessert, und andere Bereiche außen vorgelassen, wobei wie gesagt auch im privaten Bereich schon davor, also vor der aktuellen Änderung, eine Handhabe bestand. Es ist nur wichtig, dass man das auch weiß. Und ich meine, dafür ist zum Beispiel auch der Podcast heute da, um einigen Personen dieses Thema näher zu bringen.

Cathleen: Und selbst wenn es sich um öffentliche Gebäude handelt, kann mir es dennoch versagt werden, wenn ich meinen Assistenzhund mitnehmen möchte? Also gibt es da eine Grenze oder eine Beschränkung oder kann ich den dann immer mitnehmen?

Alexander: So wie es der Gesetzgeber formuliert hat und so wie es auch immer schon Usus war, sage ich jetzt mal, ist dieses Recht natürlich nicht absolut ohne Schranken gewährleistet, sondern es kann unter bestimmten Voraussetzungen versagt werden. Allerdings sind die Voraussetzungen natürlich relativ hoch angesetzt. Also es muss demjenigen, der den Zutritt versagt, schlichtweg unzumutbar sein, aus bestimmten Gründen, dass der Hund mit in das Geschäft oder in die öffentliche Anlage oder was auch immer mit rein kann. Und da kommen wir auch nochmal zurück auf das Bundesverfassungsgericht, weil da war es ja auch so, dass die Arztpraxis gesagt hat: Moment mal, wir haben hier hygienische Standards, die eingehalten werden müssen. Und außerdem, gibt es den Makel, der dieser Arztpraxis anhaftet, wenn sich hier ein Hund auffällt. Und das hat das Bundesverfassungsgericht nicht gelten lassen, sondern hat gesagt: Es muss im Einzelfall geguckt werden, ob das wirklich hier eine Rolle spielt oder ob es nur Gründe sind, die vorgeschoben werden. Das heißt, es muss wirklich im Einzelfall extrem drauf geschaut werden, ob hygienische Gründe Grund dafür sind, dass man hier einen Zutritt verwehrt. Und das alles muss noch vor dem Hintergrund geschehen oder passieren, dass man sagt, ein Assistenzhund ist ein Mittel, um Menschen mit Behinderung Teilhabe zu ermöglichen. Das ist eben grundrechtsrelevant. Und da muss man dann prüfen. Das heißt, es ist relativ hoch, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass der Zutritt auch mal verwehrt werden kann.

Thomas: Darüber hinaus kann ich mir auch vorstellen, dass weiterhin auch Assistenzhund-Besitzer, genau wie andere Tierhalter Schwierigkeiten haben, Mietwohnungen zu finden. Ich weiß, dass das der Fall ist. Also ich glaube, die Gesetzgebung hilft auch hier wenig.

Alexander: Ja, wobei man sagen muss, für Mietwohnungen gibt es im BGB [Bürgerliches Gesetzbuch] nochmal eine extra Regelung, die dann sagt, okay, wenn es ein Hund ist, auf den die Person angewiesen ist, also wenn es ein Assistenzhund-Besitzer ist, dann darf es der Vermieter an sich nicht verbieten.

Cathleen: Und was siehst du für Möglichkeiten, wenn ich jetzt zum Beispiel in ein öffentliches Gebäude nicht hineingelassen werde mit meinem Assistenzhund? Was habe ich dann für Möglichkeiten? Wie kann ich mich dagegen wehren und muss ich mich alleine dagegen wehren oder kann ich da Unterstützung suchen?

Alexander: So was ist natürlich immer schwierig. Man kann sich natürlich Unterstützung suchen. Es gibt verschiedene Verbände beispielsweise, die sich jetzt, gerade weil das Thema natürlich in den letzten Jahren medial deutlich präsenter gewesen ist, sich des Themas annehmen und auch die Rechte in dem Zusammenhang geltend machen und die Menschen mit Behinderung helfen. Seien wir ehrlich, es ist schwierig, als Einzelpersonen in dem Zusammenhang tätig zu werden. Das Problem, was ich dann sehe: Es ist halt nur etwas, das im Nachhinein hilft. Es hilft mir nicht, wenn ich mit meinem Hund vor dem Geschäft stehe, wo mir der Zutritt verwehrt wird. Und deswegen ist es wichtig, dass man frühzeitig, im Voraus, bereits alles so ausgestaltet, dass es gar keine Diskussion mehr gibt, sondern dass die Leute erkennen, aha, das ist ein Assistenzhund, der ist so und so gekennzeichnet beispielsweise und natürlich dürfen die hier rein. Im Nachhinein geht das natürlich immer, das sehen wir auch immer, dass auch solche Streitigkeiten vor Gericht landen. Aber es ist für die Menschen mit Behinderung natürlich deutlich besser, wenn es gar nicht so weit kommt, dass man Hilfe in Anbruch nehmen müsste, sondern dass es von vornherein klar ist.

Cathleen: Über einen großen Teil unseres Lebens haben wir bisher noch gar nicht gesprochen, und zwar das Arbeitsleben. Wie sieht es denn da aus? Ist es da möglich, meinen Assistenzhund mitzunehmen? Gibt es eine Pflicht für die Arbeitgeber, das zu dulden? Oder wie kann es da aussehen und gibt es da Regelungen? Also würde mir da zum Beispiel das Behindertengleichstellungsgesetz auch weiterhelfen? Oder was wären da meine Möglichkeiten?

Alexander: Der Arbeitsbereich ist natürlich relativ wichtig für alle Leute, auch für Menschen mit Behinderung. Während Corona hatten sich ja auch viele einen Hund angeschafft. Jetzt, wo es wieder zurückgeht in die Büros, ist die Frage, was macht man damit? Kann ich den Bürohund mitbringen? Und wenn man jetzt mal schaut: auf der einen Seite der Bürohund und auf der anderen Seite der Assistenzhund, dann macht es natürlich erst mal für den Arbeitgeber keinen Unterschied, weil er sieht den Hund und denkt: Hm, schwierig. Aber für die Bewertung, ob der Bürohund mitgebracht werden kann, oder ob ein Assistenzhund mitgebracht werden kann, ist es natürlich für die Menschen mit Behinderung ganz essentiell, dass eins ein „Luxustier“ ist, was man sich gegönnt hat. Der andere wiederum ist ein Hilfsmittel, welches dazu da ist, um Teilhabe am Arbeitsleben oder allgemein in der Gesellschaft zu fördern. Der Arbeitgeber kann natürlich im Rahmen seines Weisungsrechts sagen: Hm, möchte ich nicht. Aber er muss da auch beachten, dass teilweise Arbeitgeber auch im Rahmen von sogenannten angemessenen Vorkehrungen dazu verpflichtet sind, die Teilhabe für Menschen mit Behinderung auch im Arbeitsleben zu fördern. Und das kann auch bedeuten, dass ein Assistenzhund, der unter Umständen eine angemessene Vorkehrung darstellt, mit zur Arbeit gebracht werden kann. Aber da kommen wir wieder zurück zu der Frage, ob das schrankenlos gewährleistet ist. Auch hier ist es natürlich klar, dass der Hund nicht immer mitgebracht werden darf. Es gab letztes Jahr eine interessante Entscheidung vom Landesarbeitsgericht in Rheinland-Pfalz. Da war es so, dass eine Frau einen Assistenzhund mit zur Arbeit gebracht hat. Der Hund hat sich allerdings aggressiv gegenüber den anderen Beschäftigten verhalten; hat sie angeknurrt, angebellt. Und das hatte zur Folge, dass die Beschäftigten auch Angst hatten. Und man hat sich dann so ein bisschen gemieden innerhalb des Betriebs. Und da hat der Arbeitgeber gesagt, ich möchte nicht, dass du diesen Hund weiterhin mitbringst. Das ging dann vor das Arbeitsgericht, und dann auch vor das Landesarbeitsgericht. Und letzten Endes hat die Frau nicht Recht bekommen. Also, es war rechtens in dem Fall, dass der Arbeitgeber die Mitnahme des Assistenzhundes versagt hat. Und da sieht man eben, dass auf der einen Seite die Rechte der Menschen mit Behinderung stehen, auf der anderen Seite natürlich aber auch die Frage steht, wie wirkt sich das Ganze denn in dem Betrieb aus? Und da ist natürlich klar eine rote Linie dann auch erreicht, wenn es zu solchen Vorfällen kommt, die dazu führen, dass es innerhalb des Betriebs zu Verwerfungen kommt oder dass Mitarbeiter sich bedroht fühlen.

Cathleen: Das ist das, was du vorhin schon meintest, dass es ja nicht schrankenlos gewährt wäre, so ein Recht, und dass es natürlich immer im Rahmen verhältnismäßig sein muss, also dass es nicht unangemessen belastend sein darf für den Arbeitgeber oder das gesamte Arbeitsumfeld.

Alexander: Exakt. Und wenn wir jetzt auch über Kosten reden, die ganzen Regelungen, die jetzt erlassen worden sind im Behindertengleichstellungsgesetz und auch in der Verordnung, die beschäftigen sich ja nicht mal mehr damit, wer trägt überhaupt die Kosten für so eine Assistenz? Ich habe es schon anklingen lassen, so ein Hund ist ein teures Hilfsmittel, also durchschnittlich 15.000 Euro ungefähr für Anschaffung und Ausbildung etc. Und da ist dann die Frage, wer bezahlt das? Dazu hat der Gesetzgeber sich nicht geäußert, das heißt diese ganzen Regelungen, die haben für einen beträchtlichen Teil des Ganzen, im Sozialrecht nennen wir das ja Leistungsrecht, keine Auswirkungen. Und da muss man schauen, ob es ein privat finanzierter Assistenzhund ist, das ist schwierig für viele Personen, oder ob einer der Leistungsträger diesen finanziert. Das ist ja auch noch vorgeschaltet vor der Problematik der Zugänglichkeit, denn es muss ja erst einmal eine Assistenz geben, bevor man sich diesem Thema widmen kann: Komm ich da rein oder nicht?

Thomas: Richtig, nur zertifizierte Tiere dürfen ja genutzt werden.

Cathleen: Und die Zertifizierung, wenn ich das richtig verstanden habe, kostet ja auch nochmal Geld.

Alexander: Genau. Wie gesagt, diese Ausbildung, Prüfung und Zertifizierung wurde jetzt ja einheitlich geregelt vom Gesetzgeber. Und das ist natürlich auch eine Sache, die Geld kostet. Aber ich denke, es ist auch eine richtige Sache. Also, es ist natürlich richtig, bei so einem teuren Hilfsmittel auch darauf zu achten, dass die Qualitätsstandards eingehalten werden. Es ist ja auch im ganzen übrigen Hilfsmittelrecht genauso, dass verschiedene Qualitätsstandards eingehalten werden müssen und warum sollte das hier anders sein. Im rechtlichen Sinne haben wir die Gleichheit. Wir haben hier ein Hilfsmittel, im tatsächlichen Sinne ist es etwas anderes, aber darauf muss man irgendwie reagieren. Und das hat der Gesetzgeber jetzt getan, indem er das Ganze so vereinheitlich hat.

Cathleen: Dann vielen Dank für die umfassenden Informationen. Ich denke, wir haben sehr viele Bereiche angetippt und sehr viele Bereiche vorgestellt, wo ein Assistenzhund hilfreich für die Ermöglichung der Teilhabe ist oder zur Sicherung der Teilhabe von behinderten Menschen. Dann bleibt uns nur dir zu danken, dass du bei uns warst.

Alexander: Ich habe zu danken, vielen Dank für die Einladung.